Die Farbe wird in breiten, oft lang gezogenen Pinselstrichen, in hastigen, skripturalen Schwüngen oder mit dem Spachtel dick geschichtet auf den Bildträger aufgebracht. Sie ist stets auch in ihrer materialen Qualität präsent und immer kann der Vorgang der Malerei genau nachempfunden werden. Die Farbe entfaltet ihre Kraft in sensiblen Variationen des Farbtons und seiner Nachbarschaften oder in starken Kontrasten. Unterschiedliche Bewegungen im Farbauftrag erzeugen räumliche Vibrationen und Unschärfen. Eine Komposition gibt es nicht, doch eine feste, organisierte Struktur wird wie textiles Gewebe geflochten. Farbe und Linie steigern sich im wechselseitigen Zusammenklang.
Patricia Hell malt Bilder.
Dies klingt banal, verwundert aber in Anbetracht der Gemälde. Die Titel der Bilder benennen die Motive, deren Abbild nicht erkennbar ist. Aber gerade die vom Gegenstand losgelöste Malerei lässt auf ihre Weise eine gültige Darstellung der realen Welt zu. Die Illusion des Lichts wird von der Gegenwart der Farbe verdrängt. Die künstlerischen Mittel sind autonom. Das Fehlen jeglicher ikonischer und narrativer Elemente lässt in gleichsam lyrischer Leichtigkeit metaphorische Bilder entstehen und mündet in unmittelbarer synästhetischer Erfahrbarkeit. Die Farbwirkungen werden zum visuellen Erlebnis, genauso wie die rauen Oberflächen der Farbkrusten spürbar sind.
Die Atmosphäre des Ateliers ist gegenwärtig und der Geruch von Farbe, Leinöl und Terpentin drängt sich auf. So entsteht wunderbar vielschichtige Malerei, und das nicht nur im wörtlichen Sinn.
Patricia Hell stellt durch die Bildtitel kunstgeschichtliche Bezüge her: „Nach van Goghs `Sämann´“ zitiert zumindest die Farbigkeit des Vorbilds; die Reihe „Aus Monets Garten“ ist, bis auf die Tatsache, dass es sich um eine Reihe handelt, nicht mehr bildmäßig in ihrem impressionistischen Bezug nachzuempfinden. Schließlich ermöglicht der Verzicht auf jede mimetische Andeutung die Erschließung von atmosphärischen Eindrücken, die über die Motivik der Impressionisten hinausgeht: Die Bilder „Rosenflug“ und „Lichtrauschen“ zum Beispiel schaffen Atmosphären, die über die sichtbaren physikalischen Phänomene hinaus imaginäre Räume erschließen. Die gegenüber dem Impressionismus gesteigerte, impulsive Gestik der Pinselführung könnte als Anklänge an den Tachismus oder den abstrakten Expressionismus aufgefasst werden, jedoch fehlt Patricia Hells Bildern der sich selbst genügende Habitus. Der Farbauftrag fügt sich bei aller Freiheit präzise in die Struktur des Bildorganismus. Der Duktus variiert den Bildthemen entsprechend und wird zum unverzichtbaren, intellektuellen Bestandteil der künstlerischen Intention.
“Resampling ist Schreiben von Bildern“. Schrift und Sprache sind abstrakte, symbolhafte Medien eines Kommunikationsprozesses, in dem der Verlust oder die Störung von Information als „Rauschen“ bezeichnet wird. So zeigen Patricia Hells Bilder in mehrfacher Weise den prozesshaften Charakter von Kunstwerken, die oft lediglich als Objekte gesehen werden. Nicht nur das Schaffen, auch das Wirken ist ein aktiver Vorgang, der Zeit und Arbeit erfordert. Diese Leistung muss der Betrachter erbringen, um im besten Fall zu erreichen, was Schiller den „ästhetischen Zustand“ nennt: Jenes euphorische Erlebnis der Erkenntnis, die über das rationale Erfassen des Gegenstandes hinausgeht. Für den Betrachter kann dabei „Rauschen“ Chance und Gewinn bedeuten.
Fazit:
Gerade durch die Rückschau auf vorangegangene Kunst ist Patricia Hells Malerei als innovatives und authentisches Ausdrucksmittel von unmittelbaren, subjektiven Sinneseindrücken eine eminent zeitgenössische Stellungnahme, die der bildhaften Malerei einen überzeugenden und eigenständigen Beitrag hinzufügt und entgegenhält.
Karl Wilhelm Ducoffre ( Eröffnungsrede zur Ausstellung “resamplet”, in der Galerie Palais Walderdorff in Trier, 2007 )
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